die wiener seele teil II: gott sei bei mir oder der billeteur

billeteurInnen sind generell eine species, die ich zu meiden versuche, da ich bzw. das liebe wichtelmädchen, meine stetigste theaterbegleiterin, meistens mit rucksack, laptop und 1000 sackerln bepackt ins theater kommen, und man den den ganzen krempel eigentlich an der garderobe abgeben sollte, sofern man keine loge hat. ich sehe aber überhaupt nicht ein, dass man, wenn garderobenpflicht besteht, dafür auch noch zahlen soll, manchmal sogar pro stück, und fühle mich als nicht-auto-besitzerin diskriminiert. also mogeln wir uns lieber an den tw. bestimmt beamteten autoritäten des theatersaals vorbei. außerdem finden wir unsere plätze normalerweise auch selber.

manchmal ist so eine begegnung aber unausweichlich, z.b. wenn man im burgtheater eine loge am dritten rang hat. die buche ich eh nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt, weil man vom ersten oder zweiten rang besser sieht. wenn man keuchend die stufen zum dritten rang erklommen hat, wird man meistens schon am stiegenende von IHM begrüßt. ER ist nicht nur ein faktotum, sondern bestimmt in wahrheit ein gespenst, das dort schon seit der eröffnung des hauses im 19. jh. herumspukt. dass ER frau wichtelmädchen und mich offenbar immer wiedererkennt, wenn wir einmal im jahr dort oben sitzen ist zwar auch schon gespenstisch, aber noch nett. wir werden also begrüßt, zu unserer loge begleitet, dort wird uns die tür aufgehalten. gut. aber dann geht's los... ein programmheft wird uns angeboten. ich lehne ab. er regt sich auf, weil so ein programm unbedingt nötig ist zum verständnis des stücks und dieses jene welche überhaupt besonders gut ist. ich erkläre unverblümt, dass ich es doch nie lesen würde. ER wird - im rahmen dessen, was so einem ehrwürdigen theatergeist erlaubt ist - cholerisch und spricht uns quasi jegliche intelligenz ab, weil so ein programm der schlüssel zu jedem stück sei und man ohne dessen lektüre gar nichts verstünde. dann könne ich die schlüssel zu meiner wohnung auch gleich wegschmeißen ich ignoriere diese hatscherte analogie, hebe eine augenbraue und meine, dass ich diese hefte selten aufschlussreích gefunden habe. darauf er, folgerichtig: "des kennan's a net, wann's as nie lesen."
ich beende die fruchtlose debatte mit schulterzucken (mein intellektuelles selbstbewusstsein ist groß genug) und fange an, mich meines schals zu entledigen. ER greift zum kleiderbügel. ich knöpfe mein jacke auf, will IHM den kleiderbügel abnehemen. ER hält ihn mit (für so einen zarten alten mann erstaunlich) eisernem griff fest und sagt bestimmt: "na, des moch i scho." an und für sich bin ich schon ein großes mädchen und kann meine jacke selber aufhängen, aber bitte. nachdem ER auch des wichtelmädchens samtenen mantel auf einen bügel und schließlich auf einen garderobehaken bugsiert hat, wünscht ER "den damen" einen schönen abend, zieht sich zurück und schließt die tür. frau wichtelmädchen und ich haben gerade noch zeit, einmal synchron durchzuatmen und die augen zu verdrehen, da klopft es an der tür. das gespenst vom dritten rang erklärt uns freundlich, aber bestimmt, dass wir, falls wir sie noch nicht gesehen haben, uns doch die neuen bilder anschauen sollen. wir müssten aber gleich gehen, weil es keine pause gibt. es wäre noch genug zeit. ich spüre, dass die wichtelmädchensche aura neben mir genau so voll fragezeichen ist wie meine und frage schüchtern, um welche bilder es gehe. nun endgültig zur banausin abgestempelt bekomme ich die antwort "na die neichen schauspielerbüder". ich sage artig, dass wir uns die gerne anschauen wollen und bedanke mich, ER bleibt erwartungsvoll stehen, bis wir die loge verlassen.
wir suchen aber zuerst einmal aufgrund gewisser dringlichkeiten eine örtlichkeit ohne bilder auf und begeben uns anschließend wieder richtung loge. ER ist nirgends zu sehen. aber wie geister das so können, steht ER auf einmal neben uns, just als wir die logentür öffnen wollen und sagt etwas gekränkt: "wolln's erna net die büder anschaun." ich - voll des schlechten gewissens - frage, wo sich selbige denn befinden. ER schaut drein, als hätte ich IHN in eine besonders empfindliche stelle getreten (obwohl das gespenstern eigentlich nichts ausmachen dürfte) und sagt nach einmal durchatmen mit letzter beherrschung: "na in der galerie im ersten stock."
zugegeben waren die bilder wirklich sehenswert - wir sind natürlich sofort hingestürmt. bei der rückkehr zur loge wartet ER schon auf uns. ob ER uns prüfen will?
nein, für welche sitze in der loge wir karten hätten, denn - so empört ER sich - eine dame sei gekommen, um in unserer loge (4 sitze) platz zu nehmen. wir beruhigen den armen menschen, ja in solch aufreibenden situationen ist auch ER nur ein mensch, es habe wohl seine richtigkeit. wir haben einen sitz in der ersten und einen in der zwieten reihe. ein stein fällt IHM vom herzen und ER wünscht uns erneut einen schönen abend. die dame haben wir nicht zu gesicht bekommen und deswegen frech den zweiten sitz in der ersten reihe auch okkupiert.
kaum ist das stück zuende, stürmen wir in den logenvorraum, ziehen uns in windeseile an, frau wichtelmädchen öffnet die tür einen spalt, schaut sorgfältig nach links und rechts (gogo gadgetoauge) und sagt: "schnell." wir stürmen zur stiege und selbige zwei etagen hinunter, bis wir aufatmen und das theater halbwegs damenhaft verlassen.
zauberweib - 4. Nov, 21:02

waaah - köstlich :)) nur: bitteschön weshalb schleppt mensch ein laptop mit ins theater???

zaubiknuddles

queerbeet - 4. Nov, 21:09

naja, wenn mensch von der uni oder der arbeit kommt und so peripher wohnt, dass sich ein heimfahren dazwischen nicht ausgeht. wir waren auch schon mit tiefkühlfisch und gemüse im theater, wenn wir vorher einkaufen waren. *räusper*
baerin - 12. Nov, 23:22

*lol* was für eine...

herrliche Geschichte! :-)
LG BärenSchwester

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Glück gehabt
Manchmal kann Frau ihr Glück nicht fassen. Boah... Schön...
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